Platons Höhlengleichnis (Platon, Politeia, 514 A ff) soll verdeutlichen, dass die Sinne den Menschen täuschen können und er erklärt in anschaulicher, bildlicher Weise, wie der Mensch sich von den Fesseln der Sinneswahrnehmung lösen kann und anstatt nur wahrzunehmen, erkennen kann.

Das Höhlengleichnis Teil 1 – Die Schatten:

Nach Platon stelle man sich die Menschen gefesselt in einer Höhle vor. Sie sitzen mit dem Rücken zu einer Lichtquelle vor der eine Art Schattenkino abläuft. Diesem sehen sie an der Wand zu. Sie sehen also nichts anderes als die Schatten der Dinge, wie von einem Projektor projiziert, oder wie Gegenstände, die vor das Licht gehalten werden und dann eben ihre Schatten an die Wand werfen.
Das, was die Menschen da sehen, ist die Wirklichkeit für sie, weil sie nichts anderes kennen. Diese Schatten an der Wand sind also im übertragenen Sinne die Welt des Wahrnehmbaren, nach Platon, was man sieht, wahrnimmt mit den Sinnen. Diese Wahrnehmung ist natürlich nur eine Welt des Scheins, aber die Menschen denken, es sei die Welt des Seins.

Das Höhlengleichnis Teil 2 – Der Aufstieg:

Man stelle sich nun des Weiteren vor, dass ein derart getäuschter Mensch seine Fesseln abwerfen und sich umdrehen kann; sich abwenden von den Schatten. Er würde natürlich ins Licht blicken, das ihn im ersten Moment blenden würde. Er würde aber weiterhin glauben, dass die Schatten die wahre Welt seien. Erst wenn er aus der Höhle heraustreten würde, würde ihm klar werden, dass sich in der Höhle nur eine Welt des Scheins befindet.
Das heißt, der erste Schritt zur Erkenntnis ist der, dass man sich von Gewohntem löst, also dem, was man täglich nur eben oberflächlich sieht, wahrnimmt. Tut man dies, tritt man sozusagen dem Licht des Erkennens entgegen. Vorher aber ist man von diesem plötzlichen Erkennen natürlich überfordert und man möchte, dass alles so bleibt, wie es ist, weil es doch manchmal einfacher ist, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen.
Der zweite Schritt beinhaltet dann den Weg zur Erkenntnis als den Aufstieg aus der Höhle der Schatten, des Wahrnehmbaren. Tritt man in das Licht der Erkenntnis, merkt man, dass die Wahrnehmung schon immer getäuscht hat. Und man erkennt die Schattenspiele als das, was sie sind; pure Sinneswahrnehmungen, Täuschungen, reine Unwissenheiten, die der Mensch nun im Licht der Erkenntnis abschütteln kann.
Wie man von einem Bildausschnitt nicht auf das Gemälde schließen kann, weil man es ganz sehen muss, um es zu erkennen, muss auch der Mensch seinen Blickwinkel vergrößern, seinen Horizont erweitern, bevor er die Wahrheit erkennen kann; das was sich hinter den Schatten verbirgt. Wie man einen nächtlichen Schatten bei angeschaltetem Licht als dies oder das identifiziert, sieht man erst im Licht der Erkenntnis die Wahrheit.

Das Höhlengleichnis Teil 3 – Der Abstieg zurück in die Höhle:

Geht der Mensch nun, nachdem er gemerkt hat, wie sich alles wirklich verhält, wieder in die Höhle zurück, wird er feststellen dass dieses Schattenkino eine Täuschung ist, und er wird versuchen seinen Mitmenschen dieses neu gewonnene Wissen um die Wahrheit zu vermitteln.
Der Abstieg in die Höhle zurück meint, dass der Mensch nun, wo er hinter das geblickt hat, was die Sinne ihm vorgaukeln, die Dinge in der Höhle, beziehungsweise die Welt des Wahrnehmbaren, ganz anders interpretieren kann. Das heißt, wenn er in der Höhle der Unwissenheit sozusagen, den Schatten einer Rose gesehen hat, kann er diese jetzt identifizieren, weil er sie im Licht gesehen und damit erkannt hat. Übertragen bedeutet das natürlich auch, dass ein Mensch erst, wenn er die Idee hinter der Gerechtigkeit, oder die Idee des Guten erkannt hat, im wahren Leben wissen kann, was eine gerechte oder gute Handlung ist.
Und nach Platon hat der Philosoph dabei die Aufgabe diese Erkenntnis, das wahre Wissen; die Wahrheit hinter den Dingen, den anderen Menschen zu vermitteln, indem er sie aus der Höhle der Unwissenheit führt.

Quelle: 

Platon: Politeia, Reclam Verlag, Stuttgart 1982, 725 Seiten, 12,00 €