Samstag, 19. Oktober 2013

Die Maske der Psychiatrie fällt

Psychiatriekritiker wie z.B. Thomas Szasz und John Breeding behaupten schon lange, daß die Psychiatrie eigentlich nur einem primären Zweck dient: Der sozialen Kontrolle. Zeitgenossen, die irgendwie anecken, sollen gefügig gemacht werden. Die Psychiatrie verstecke sich nur hinter einer medizinischen Maske. Ihre Krankheitsbilder und Diagnosen seien unwissenschaftlich und basierten auf unbewiesenen Hypothesen, so die Kritiker. Außerdem steht der Verdacht im Raum, daß auf Grund von Profitgier Krankheiten erfunden werden, die es garnicht gibt.

Bücher wie “Geisteskrankheit, ein moderner Mythos?” oder “Grausames Mitleid” von Thomas Szasz, “Giftige Psychiatrie” von Peter Breggin, “Der chemische Knebel” von Peter Lehmann oder “Mad in America” von Robert Whitaker zählen schon lange zu den Klassikern der psychiatriekritischen Literatur.

Zum öffentlichen Imageverlust der Psychiatrie tragen nicht nur Antipsychiatrieaktivisten, wie die Berliner Irrenoffensive oder Menschenrechtsanwälte, wie David Schneider-Addae-Mensah, der das sensationelle Urteil gegen psychiatrische Zwangsbehandlung vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hat, bei. Die Psychiatrie macht sich zunehmend auch durch eigene Skandale, die ein breites Medienecho nach sich ziehen, lächerlich. Der Psychiater Hans-Jürgen Möller von der LMU München schrieb lange Zeit in unregelmäßigen Abständen psychiatrische Propagandaartikel für die Süddeutsche. Doch als der Skandal um Möller und seine fremdanamnetische Ferndiagnose des Kunsthändlers Eberhard Herrmann durch alle Medien ging, wurde Möller von der Süddeutschen selbst zerrissen. Seit dem scheint diese Zeitung deutlich kritischer mit dem Thema Psychiatrie umzugehen. Anlässlich der kommenden Neuauflage des DSM – der Bibel der Psychiatrie – hinterfragt auch die Süddeutsche psychiatrische Krankheitsbegriffe. Von “erfundenen Krankheiten” und der “totalen Medikalisierung des Normalen” ist die Rede. Auch der Spiegel berichtete Anfang 2011 unter dem Titel “Seelsorge für die Industrie” über die unheilvolle Beziehung zwischen Pharmaindustrie und Psychiatrie. Pharmafirmen würden Meinungsbildner nicht nur einsetzen, um Werbung für ihre Pillen zu machen, sondern auch, um Krankheiten zu vermarkten, die es oft gar nicht gäbe. Trotz immer flächendeckenderer psychiatrischer “Versorgung” und steigendem Absatz von Psychopharmaka nimmt die Zahl der als psychisch Krank diagnostizierten Menschen immer weiter zu.


Auch im Massenmedium Fernsehen nehmen psychiatriekritische Beiträge immer mehr zu. In den 90er Jahren hatte ein Beitrag der ARD-Sendereihe Ratgeber Recht, in dem unter anderem über den Fall Vera Stein berichtet wurde, für Wirbel gesorgt. Vera Stein wurde als Kind mehrmals ohne richterlichen Beschluß in psychiatrische Anstalten zwangseingewiesen und zwangsweise mit Neuroleptika behandelt, weil sie ein aufmüpfiges Kind war. Heute ist sie in Folge dieser Behandlungen schwerbehindert. In einem aufsehenerregenden Prozeß konnte sie im Jahre 2005 schließlich eine Verurteilung der BRD vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Menschenrechtsverletzungen erreichen. Ein weiterer, spektakulärer Fall war der des Steuerfahnders Rudolf Schmenger von 2006, der zusammen mit seinen Kollegen von der Frankfurter Steuerfahndung für geisteskrank erklärt und in Rente geschickt wurde, weil er es wagte, gegen deutsche Großbanken wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu ermitteln. Die Diagnose: “paranoid-querulatorischen Entwicklung”. Im Jahre 2010 strahle der deutsch-französiche Fernsehsender Arte den mit dem SRG Preis ausgezeichneten Dokumentarfilm “Alltag in der Psychiatrie” von Ilan Klipper aus. Er hatte mehrere Monate in den Abteilungen 15 und 17 der psychiatrischen Klinik Sainte-Anne in Paris verbracht und dort das Geschehen in Bild und Ton festgehalten, ohne die Szenen zu kommentieren. In diesem Film sind zahlreiche Szenen zu sehen, in denen die Wärter die Insassen der Psychiatrie schikanieren und zwangsweise Verabreichung von Neuroleptika, Fixierung und Elektroschock als Disziplinierungsmittel verwenden.

Angesichts so viel negativer Berichterstattung in den Medien wird die Psychiatrie langsam nervös. Insbesonders die elektronischen Medien, allen voran YouTube, scheinen die Psychiatrie-Verfechter zu Gegenreaktionen zu provozieren. Auf YouTube sind zahlreiche Fernsehmitschnitte und von Psychiatriegegnern erstellte Videos zu sehen. Immer wieder schreiben auch Mitarbeiter von psychiatrischen Einrichtungen Kommentare zu solchen Videos. Doch diese Kommentare erscheinen meist wie eine hilflose Panikreaktion. So schreibt z.B. ein Psychiatriemitarbeiter als Kommentar zu dem Dokumentarfilm “Alltag in der Psychiatrie”, was dort zu sehen ist sei “veraltet”. Doch der Film stammt aus dem Jahre 2010. Mehrere andere User, die dem Anschein nach ebenfalls dem Dunstkreis der Psychiatrie zuzuordnen sind, behaupten, dieser Film würde keinesfalls den Alltag in der Psychiatrie zeigen, sondern sei ein Beispiel für die Unfähigkeit von Ärzten und Pflegern. Von “Hetze gegen die Psychiatrie” ist sogar die Rede. Daß ein Film einfach nur kommentarlos das Geschehen in solch einer Einrichtung zeigt, scheint den Vertretern der Psychiatrie schon zu viel zu sein. Sie würden gerne weiter im Verborgenen operieren. Zahlreiche ehemalige Psychiatrieinsassen berichten, daß sie ganz ähnliche Zustände in Deutschland erlebt haben. Ebenso typisch ist das Beschwichtigen und Rationalisieren. So schreibt beispielsweise eine Psychiaterin im Kommentarfeld des YouTube Kanals von Gedankenverbrecher84 sinngemäß, die tausende Psychiatrietoten jedes Jahr alleine in Deutschland seien kein Grund, die Psychiatrie abzuschaffen, denn schließlich würden ja auch jährlich tausende Menschen durch den Straßenverkehr ums Leben kommen. Doch es gibt auch Psychiatriemitarbeiter, die sich bei YouTube als Wistleblower betätigen und selbst über menschenverachtende Zustände in diversen psychiatrischen Einrichtungen berichten.

Ferner versucht die Psychiatrie auch sogenannte Psychiatrieerfahrenengruppen als verlängerten Arm ihrer Lobbyarbeit einzuspannen. So versuchte beispielsweise der Baden-Württemberger Landesverband des Bundesverbands Psychiatrieerfahrener angesichts des Karlsruher Urteils, in dem die psychiatrische Zwangsbehandlung für verfassungswidrig erklärt wurde, für Zwangsbehandlung zu werben. Dazu verfasste dieser Verein ein entsprechendes Positionspapier. Darin war die Rede davon, daß die Psychiatrie ihrer Meinung nach ihrer Rolle als Schutz- und Ordnungsfunktion ohne Anwendung von Zwang und Gewalt nicht nachkommen könne. Damit gesteht dieser Verein also ein, was Psychiatriekritiker schon lange behaupten: Bei der Psychiatrie handelt es sich nicht um eine medizinische Disziplin, sondern um ein Bestrafungs- und Umerziehungssystem, das außerhalb der Strafgerichtsbarkeit operiert. Wer sich nicht fügt, wird mit hirnschädigenden Drogen vollgepumpt, bekommt Elektroschocks verpasst oder wird ans Bett gefesselt. Ferner soll die sogenannte “Krankheitseinsicht” erzwungen werden. Der Psychiatrieinsasse soll “zugeben”, daß sein vermeintliches Fehlverhalten eine “Krankheit” sei. Viele Menschen brechen angesichts solchen Drucks zusammen, drehen durch oder nehmen sich das Leben. Psychiatrie-Überlebende sind oft schwer traumatisiert oder leiden unter dem, was im Jargon Hospitalismus genannt wird. Die Psychiatrie deutet solche Reaktionen dann wiederum als “Symptome der Krankheit” um.

Ein Dogma der Psychiatrie sind die angeblichen biologischen Ursachen sogenannter psychischer Krankheiten. Angeblich seien Stoffwechselstörungen im Gehirn (das sogenannte “chemische Ungleichgewicht”), sowie genetische Faktoren schuld. Stichwörter wie “Dopaminhypothese” geistern herum. Kritker der Psychiatrie wenden hingegen ein, daß wenn dem so wäre, es doch objektive Testverfahren geben müsse. Doch die gibt es bis heute nicht.

Sogenannte Psychosen sollen von einem Überschuß am Neurotransmitter Dopamin verursacht werden, Depressionen sollen ihre Ursache in einem Mangel von Serotonin haben, so die psychiatrische Lehrmeinung. Deshalb werden bei Psychosen Dopamin-Blocker, sogenannte Neuroleptika und bei Depressionen Serotoninwiederaufnahmememmer verabreicht. Doch diese Neurotransmitterwerte werden in der gängigen Praxis der Psychiatrie nie gemessen. Mit den Mitteln der modernen Medizin lassen sich aber die Spiegel dieser Botenstoffe im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten messen. Wenn ein als schizophren oder depressiv diagnostizierter Mensch tatsächlich einmal auf die Idee kommt, diese Werte von einem Arzt messen zu lassen, bleibt dies ohne Befund. Erst die psychiatrischen Drogen, die in die Hirnchemie eingreifen, verursachen Veränderungen dieser Werte.

Das selbe zeigt sich bei Untersuchungen des Gehirns mittels bildgebender Verfahren, wie z.B. der Magnetresonanztomographie (kurz MRT). Bei diversen psychischen Krankheiten sollen nach psychiatrischer Lehrmeinung auch charakteristische Veränderungen in der Hirnanatomie nachweisbar sein. Bei Schizophrenie soll beispielsweise eine Schrumpfung des Gehirns, vor allem der Frontallappen typisch sein. Schaut man als psychisch Krank diagnostizierten Menschen mit diesen Verfahren in den Schädel, bleibt auch dies ohne Befund. Allerdings führen Langzeitbehandlungen mit Neuroleptika nachweislich zu Neurodegeneration, wie zahlreiche Studien belegen. Wenn man also einen Menschen oder einen Versuchstier eine gewisse Zeit mit Neuroleptika behandelt, kann man auf den Bildern tatsächlich eine Schrumpfung gewisser Hirnbereiche beobachten. Diese sind allerdings nicht Ergebnis der “Krankheit”, sondern der psychiatrischen Behandlung.

Seit Ende des 20. Jahrhunderts ist die Semantik des genetischen Codes bekannt. Im Rahmen des Human Genome Project wurde ab 1990 das menschliche Genom vollständig entschlüsselt. Das Genom codiert die Reihenfolge von Aminosäuren, aus denen sich die verschiedenen Proteine zusammensetzen. Eine Abweichung im Code – eine sogenannte Mutation – kann zu fehlerhaften, nicht funktionierenden Proteinen führen. Gridcomputing-Programme, wie Rosetta@Home, ein Ableger des bekannten Projekts Seti@Home, werden eingesetzt, um die Proteinfaltung zu berechnen. Anfang des 21. Jahrhunderts existieren Verfahren zur automatischen Analyse genetischen Materials. Doch die Jagd nach einem “Schizophrenie-Gen” blieb bis weilen die Jagd nach einem Phantom. Immer wieder wurden neue Kandidaten genannt, die sich im Nachhinein als wissenschaftlich unhaltbar erwiesen haben.

Da im menschlichen Genom keine Gene für psychische Krankheiten ausgemacht werden konnten, argumentiert die Psychiatrie nun mit epigenetischen Faktoren. Unter dem Begriff Epigenetik versteht man die Modulation von Genen durch Umwelteinflüsse. So können beispielsweise durch Methylierung einzelne Gensequenzen an- und ausgeschaltet werden. Eine Studie von Prof. Sara Fuchs und der Doktorandin Tal Ilani vom Weizmann Institut aus dem Jahre 2001 will nun einen “Schizophrenie-Schnelltest” auf der Basis epigenetischer Faktoren entwickelt haben. Bei als schizophren diagnostizierten Menschen sei eine erhöhte Zahl von Dopaminrezeptoren nachweisbar. Deshalb müsse man nur nach einer erhöhten Aktivität der mRNA, die die Synthese von Dopaminrezeptoren codiert, suchen. Was die Forscher allerdings verschweigen: Schon lange ist bekannt, daß Behandlung mit Neuroleptika dazu führt, daß der Körper in Folge von Blockierung von Dopaminrezeptoren neue Dopaminrezeptoren bildet. Folglich wird in diesem Falle auch eine erhöhte Aktivität der entsprechenden mRNA messbar sein. Wie so oft versucht auch hier die Psychiatrie wieder das Ergebnis ihrer Behandlungsmethoden als Ursache für die angebliche Krankheit umzudeuten.

Doch warum ist die Psychiatrie so erpicht darauf, genetische Ursachen für sogenannte psychiatrische Krankheiten zu finden? Das hat historische Gründe. Die geistigen Urväter der modernen Psychiatrie, Emil Kraepelin und Eugen Bleuler waren eingefleischte Eugeniker. Sie setzten das Dogma in die Welt, daß Verhalten genetisch bedingt und vererbbar sei. Damit legitimierten Psychiater vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch davor und danach, die Sterilisation und Ermordung von angeblich psychisch Kranken. Von dem Dogma der genetischen Ursachen für sogenannte psychische Krankheiten ist die moderne Psychiatrie bis heute nicht abgerückt. Noch heute verleiht die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie die Goldene Emil Kraepelin-Medaille für “herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Psychiatrie”.

Wenn sogenannte psychische Krankheiten also laut psychiatrischer Lehrmeinung ihre Ursachen in biologischen Defekten haben sollen, die entsprechenden Untersuchungsmethoden zur Verfügung stehen und diese angeblichen biologischen Defekte trotzdem nicht nachweisbar sind, wie können sich Psychiater bei ihrer Diagnose dann so sicher sein? Diese Frage beantwortete der Heidelberger Demenz-Experte Prof. Dr. Johannes Schröder bei einer Anhörung vor dem Landgericht Stuttgart im Rahmen eines aktuellen Verfahrens gegen das psychiatrische Klinikum Winnenden wie folgt: Die klinische Erfahrung würde zeigen, daß psychisch Kranke sowohl die biologischen Ursachen, als auch die Symptome ihrer Krankheit wegsimulieren. Wenn also bei einem Probanden weder die angeblichen biologischen Ursachen, noch die Symptome einer psychischen Krankheit nachweisbar wären, dann sei der Proband mit sehr großer Wahrscheinlichkeit psychisch krank.